Was ist Überversorgung?
Überversorgung bedeutet, dass Patient*innen medizinisch behandelt oder untersucht werden, obwohl es ihnen nichts nützt – oder möglicherweise sogar mehr schadet als hilft. Das betrifft nicht nur Medikamente oder Operationen, sondern auch unnötige Untersuchungen.
Solche Behandlungen:
- verbessern die Gesundheit oder Lebensqualität nicht,
- sind oft nicht erwünscht (z. B. am Lebensende),
- und belasten Patient*innen, Angehörige, das medizinische Personal und das Gesundheitssystem.
Wo passiert das besonders oft?
- Auf der Intensivstation, vor allem am Lebensende
- In der Langzeitpflege oder Geriatrie (Altenmedizin)
- Auch in der ambulanten (hausärztlichen) Versorgung
Warum kommt es dazu?
- Unsicherheit über den Krankheitsverlauf
- Sorge vor rechtlichen Konsequenzen („Lieber zu viel als zu wenig“)
- Fehlende Erfahrung bei schwierigen Entscheidungen
- Erwartungsdruck von Patient*innen oder Angehörigen
- Mangelndes Vertrauen oder Kommunikation im Behandlungsteam
- Falsche Informationen aus dem Internet oder Medien
Warum ist das ein Problem?
- Nebenwirkungen oder Komplikationen durch unnötige Eingriffe
- Angst und Frustration bei Pflegefachpersonen und Ärzt*innen
- Kostenexplosion im Gesundheitssystem
- Widerspruch zum Patientenwillen, z. B. wenn jemand keine lebensverlängernden Maßnahmen möchte
Was kann man dagegen tun?
Der einfache „TRIKK“ hilft, Übertherapie zu vermeiden:
- T – Therapieziel: Was wollen wir mit der Behandlung erreichen?
- R – Re-Evaluierung: Bringt die Behandlung uns noch dem Ziel näher?
- I – Indikation: Gibt es wirklich einen guten medizinischen Grund dafür?
- K – Konsequenz: Hat die Maßnahme eine klare Auswirkung auf den weiteren Verlauf?
- K – Konsens: Sind die Patient*innen (bzw. deren Vertreter*in) einverstanden?
Fazit
Überversorgung ist kein Zeichen guter Medizin, sondern eine Herausforderung, die durch bessere Kommunikation, klares Nachdenken und das Einbeziehen des Patient*innen-Willens verhindert werden kann und soll.
Ziel muss immer sein: So viel wie nötig – aber so wenig wie möglich.
Im Mittelpunkt steht dabei der Mensch – nicht die Technik.
Zusatzinformationen
Autor*innen: Univ. Prof. Dr. Kurt Lenz, Linz
Redaktion: PD. Mag. Dr. Magdalena Hoffmann, MSc, MBA,RN, Dr. Marie-Madlen Jeitziner,RN
Datum: 22.08.2025
Version: 1.0
Copyright-Vermerk für Fotos: Kurt Lenz
Weiterführende Literatur:
- Michalsen et al.,Positionspapier DIVI. Med Klinik Intensivmed Notfallmed 2021; 116: 281-294
- H Albisser Schleger , H Pargger , S Reiter-Theil. Futility –Übertherapie am Lebensende? Gründe für ausbleibende Therapiebegrenzung in Geriatrie und Intensivmedizin Zeitschrift für Palliativmedizin 2008; 9 EV_031 DOI: 10.1055/s-0028-1088429