Wie werde ich mich fühlen, wenn ich auf der Intensivstation gewesen bin?

Der Aufenthalt auf einer Intensivstation kann viele Veränderungen bei Ihnen auslösen. Hier finden Sie mehr Informationen darüber.

Nachdem Sie kritisch krank gewesen sind, wird es bis zu 18 Monate dauern, bis Sie sich wieder vollständig erholt haben. Sich schwach zu fühlen und mit sehr viel Mühe einfache Dinge zu erledigen, wie sich anzuziehen oder nur herumzulaufen, kann Sie missmutig stimmen. Wenn Sie insbesondere zu Beginn die Hilfe von vielen Menschen benötigen, kann Sie das Gefühl überkommen, Ihre Unabhängigkeit verloren zu haben. Ihre Stimmung kann sehr schwankend sein und vielleicht erleben Sie folgendes:

  • Sie fühlen sich aufgelöst und weinerlich
  • Sie fühlen sich ständig müde
  • Sie sind unfähig, ausreichend zu schlafen
  • Sie vernachlässigen Ihr Äußeres
  • Sie sind aufbrausend und bissig
  • Sie fühlen sich schuldig, so viel Aufwand und Sorgen zu verursachen
  • Sie sind vergesslich
  • Sie haben keinen Appetit
  • Sie haben keine Vorstellung davon, was passiert ist und wie krank Sie wirklich waren
  • Sie sind erschrocken, dass Sie fast gestorben sind
  • Sie sind ängstlich, dass Sie erneut krank werden könnten
  • Sie sind besorgt, wie lange es dauert, bis Sie genesen sind

Ihre Familie wird froh sein, Sie wieder zuhause zu haben, aber sie können vielleicht nicht verstehen, weshalb Sie traurig sind. Sprechen Sie mit Ihnen über Ihre Gefühle. Konsultieren Sie auch Ihre*n Hausärztin*Hausarzt – er*sie kann Ihnen eine Therapie anbieten, um diese schwere Zeit zu überstehen. Wenn Sie sich erholt haben und aktiver werden, stellen sich Ihnen immer neue Herausforderungen. Dies kann Ihnen ein Gefühl von Angst geben – bleiben Sie ruhig und atmen Sie tief durch. Wenn Sie die Intensivstation verlassen haben, kann es sein, dass Sie einige psychologische Probleme erfahren, wie etwa:

  • Lebhafte Träume
  • Albträume
  • Flashbacks (plötzliches Wiedererinnern, in lebhaften Details, eine vergangene Erfahrung)
  • Halluzinationen
  • Angst
  • Verlust von Selbstvertrauen

Manchmal können diese Symptome durch bestimmte Geräusche, Düfte oder etwas, das Sie sehen, hervorgerufen werden. Dies geht nach einiger Zeit vorbei.

Schlaf

Sie benötigen regelmäßigen Schlaf, um Ihren Körper gesund zu halten. Es kann eine Weile dauern, bis Sie wieder in Ihren normalen Schlafrhythmus zurückfinden. Sie können vielleicht schlecht einschlafen oder wachen öfter in der Nacht auf. Wenn Sie Schlafprobleme haben, versuchen Sie abends Kaffee oder Tee zu vermeiden, da das Koffein am schlafen hindern kann. Etwas zu lesen oder Radio zu hören kann Ihnen unter Umständen auch dabei helfen, einzuschlafen. Ihr*e Hausarzt*Hausärztin kann Ihnen bei Schlafstörungen auch weiterhelfen und sobald Sie wieder aktiver werden, sollte sich dieses Problem auch wieder normalisieren.

Verstehen, was Ihnen passiert ist

Jeder Mensch erlebt seinen Aufenthalt auf der Intensivstation anders. Für einige ist diese Erfahrung nicht mehr beängstigend, wie bei jedem Krankenhausaufenthalt. Einige haben keine konkrete Erinnerung oder versuchen die Zeit zu vergessen. Für andere wiederum kann es eine sehr traumatische Erfahrung sein und es kann einige Zeit dauern, bis sie mit dieser Erfahrung zurechtkommen. Die starken Medikamente wie auch die Behandlung, die das Personal der Intensivstation durchführen muss, um Sie zu unterstützen, haben Einfluss auf Ihren Körper und Ihren Geist. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Patient*innen auf der Intensivstation Halluzinationen, Albträume oder Träume erleben, die für sie real erscheinen und sie auch ängstigen können. Manchmal haben Sie vielleicht das Gefühl gehabt, wach zu sein, aber Sie wussten nicht, wo Sie sind oder was passiert ist.

Halluzinationen und wahnhaftes Erleben

Es ist ganz normal, dass Patient*innen auf der Intensivstation Halluzinationen oder Albträume erleben. Sie haben vielleicht geträumt, dass Sie gequält wurden, im Bett gefangen waren oder eingesperrt waren. Dies war vielleicht, weil man Ihnen Katheter eingelegt hat, die Ihre lebenswichtigen Funktionen unterstützt haben oder um Ihren Zustand zu überwachen. Diese Furcht kann einige Wochen anhalten, auch nachdem Sie aus dem Krankenhaus entlassen wurden. Eventuell haben Sie auch wahnhafte Gedanken, um den Erlebnissen, die Sie in Zeiten von Verwirrtheit gehabt haben, einen Sinn zu geben. Auch dies geht normalerweise nach einiger Zeit vorbei. Wenn Sie daraufhin Angst haben, einen Termin im Krankenhaus wahrzunehmen, so nehmen Sie eine Person Ihres Vertrauens zu diesem Termin mit. In einigen Fällen kommt es bei Patient*innen (und deren Angehörigen) nach deren Aufenthalt auf der Intensivstation zu sehr starken Symptomen von Stress. Dies wird Post-Traumatische Belastungsstörung (PTBS) genannt und kommt immer wieder vor. Die meisten Patient*innen, die an einer PTBS leiden, erfahren Hilfe, indem sie sich an eine professionelle Beratungsstelle wenden. Fragen Sie Ihre*n Hausärztin*Hausarzt. Diese*r kann Sie an eine entsprechende Stelle verweisen.

Dinge, die Ihnen über das Erlebte hinweghelfen können

Nachdem Sie das Krankenhaus verlassen haben, können noch Fragen über Ihren Aufenthalt auf der Intensivstation auftreten. Einige, wenige Krankenhäuser bieten eine Nachsorge an. Diese beinhaltet üblicherweise eine Einladung auf die Intensivstation, um sich das Umfeld anzuschauen, einige der Mitarbeiter*innen wiederzutreffen und auch offene Fragen zu beantworten. Der Gedanke, zurück auf die Intensivstation zu gehen, kann in Ihnen Furcht auslösen und vielleicht brauchen Sie eine Weile, bis Sie für diesen Schritt bereit sind. Es kann allenfalls sehr hilfreich sein sich anzuschauen, wo man gewesen ist und was genau mit einem passiert ist. Sie werden sich nicht an alles erinnern können, was auf der Intensivstation passiert ist. Ihre Erinnerungen aufzuschreiben kann Ihnen helfen, sich an mehr zu erinnern und diese zu ordnen. Sie können versuchen, sich an irgendetwas von jedem Tag zu erinnern, den Sie im Krankenhaus verbracht haben, um der Zeit, die Sie verloren haben, einen Sinn zu geben. Es mag hilfreich sein, Ihre Freund*innen und Verwandte zu fragen. Wenn Ihre Verwandten oder Besucher*innen ein Tagebuch geführt haben, so kann Ihnen das Lesen darin helfen, besser zu verstehen, was mit Ihnen passiert ist. Es kann eine Weile dauern, bis Sie sich bereit fühlen, das Tagebuch zu lesen, und es kann sehr emotional sein, jedoch empfinden es viele Patient*innen als sehr hilfreich, das Geschehene zu verstehen. Wenn es Ihnen hilft, dann versuchen Sie die medizinische Seite Ihrer Behandlung zu verstehen. Das Personal der Intensivstation oder auch Ihr*e Hausarzt*Hausärztin kann Ihnen dabei behilflich sein.

Zusatzinformationen

Interessenskonflikte: Keine
Autor*innen: ICUSteps, Mag. Dr. Magdalena Hoffmann, MSc, MBA
Redaktion: Mag. Dr. Magdalena Hoffmann, MSc, MBA
Datum: 30.01.2021
Version: 1.0
Copyright-Vermerk für Fotos: Freies Bild
Weiterführende Literatur:
• https://icusteps.org/assets/files/translations/german.pdf
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