NoPICS-Kids – Kinderintensivmedizin neu gedacht

Das Post-Intensive-Care-Syndrom bei Kindern (PICS-p) beschreibt langfristige körperliche und psychosoziale Folgen bei Kindern nach intensivmedizinischer Behandlung. Risikofaktoren wie Vorerkrankungen, aber auch intensivmedizinische Maßnahmen an sich spielen eine Schlüsselrolle. Vorbeugung und Nachsorge erfordern Maßnahmen bereits auf der Intensivstation und eine verbesserte Zusammenarbeit der Fachkräfte. Zusätzlich benötigt es auch eine intensive Erforschung der Ursachen und Wirkfaktoren.

Warum kommt es zum Post-Intensive-Care-Syndrom bei Kindern?

Entscheidende Entwicklungsschritte eines Menschen finden besonders im Kindes- und Jugendalter statt, sowohl in körperlicher als auch psychischer Hinsicht. Belastungen, die in diese Zeiträume fallen, können sich umso deutlicher auf die Gesundheit auswirken. Hierzu zählen auch Behandlungen auf einer Intensivstation. Langzeitfolgen können im körperlichen, psychischen sowie sozialen Bereich auftreten. Dazu gehören zum Beispiel Müdigkeit und Schlafstörungen ebenso wie Schwierigkeiten im Denken und der Aufmerksamkeit. Diese unterschiedlichen Symptome werden allgemein als Post-Intensive-Care-Syndrom (PICS) zusammengefasst, bei Kindern speziell als PICS-p („pädiatrisch“ betrifft Kinder). Eine besondere Bedeutung kommt der Familie zu, denn auch Eltern können nach der Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen, Depressionen und ausgeprägten Ängsten betroffen sein. Diese und weitere Langzeitfolgen werden als PICS-f („Familie“) bezeichnet. Eine gute Einbindung der Familie in die Behandlung ist daher sowohl für das Kind als auch die Familie selbst sehr wichtig.

PICS-p entsteht als Zusammenspiel von Vorerkrankungen, der intensivmedizinischen Behandlung sowie Risikofaktoren nach Entlassung. Eine genaue Messung und Feststellung von PICS-p bleibt daher eine große Herausforderung. Bekannt ist, dass sich 67% der Kinder innerhalb von sechs Monaten nach der Entlassung teilweise erholen, während bis zu 20% auch nach über einem Jahrzehnt noch unter anhaltenden Problemen leiden.

Besonders gefährdet sind Kinder mit Entwicklungsverzögerungen, chronischen oder bösartigen Erkrankungen sowie Immunschwächen. Auch etwa die die psychische Gesundheit der Eltern oder soziale und finanzielle Probleme spielen eine wichtige Rolle. Während beispielsweise neurologische Störungen oder Blutvergiftungen das Risiko erhöhen, können auch intensivmedizinische Maßnahmen wie längere Beatmungszeiten, zu lange Wirkung von Schlaf- und Beruhigungsmitteln als auch invasive Eingriffe körperliche und seelische Schäden verursachen. Die Erholung des Kindes wird zusätzlich durch die Belastung ihrer Eltern erschwert. Somit wirken sich PICS-p und PICS-f ungünstig aufeinander aus.

Was kann für die Kinder getan werden?

Entscheidend für die Erholung sind geregelte familiäre Abläufe, ein stabiler sozialer Rahmen, Rehabilitationsmaßnahmen als auch finanzielle Unterstützung. Ein besserer Umgang mit PICS-p erfordert in der Intensivmedizin einen Fokus auf die Lebensqualität nach der Behandlung neben dem reinen Überleben an sich. Der Übergang nach Hause erfordert schließlich gute Zusammenarbeit aller Fachkräfte, insbesondere da Folgebelastungen sich erst nach dem Klinikaufenthalt offenbaren.

Internationale Forschung beschäftigt sich mit der Erkennung, Vermeidung und Behandlung von PICS-p. Verschiedene Maßnahmen (ABCDEF-Bundles) können bereits während der Behandlung helfen. Es geht dabei um den richtigen Umgang mit Schmerzen, der künstlichen Beatmung, der Gabe von Schlaf- und Beruhigungsmitteln oder um die zeitgerechte Unterstützung bei der Bewegung. Die Erkennung und Behandlung von Verwirrtheitszuständen und Halluzinationen  („Delir“), spielt eine zentrale Rolle. Über allen Maßnahmen steht der Einbezug der Familie in die Behandlung des Kindes. Erste Studien zeigen dabei auch bei Kindern vielversprechende Ergebnisse. Auf den Kinderintensivstationen in Deutschland (Tübingen, Freiburg, Mannheim, Heidelberg) werden mit dem vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) geförderten Projekt NoPICS-Kids – Kinderintensivmedizin neu gedacht derzeit die Wirkung dieser Maßnahmen wissenschaftlich untersucht. Daneben gewinnt auch die PICS-spezifische Nachsorge in der Pädiatrie zunehmend an Bedeutung.

Im Rahmen des vom GBA geförderten, multizentrischen Projekts NoPICS-Kids werden Geschwisterkinderkinderbesuche auf Kinderintensivstation regelhaft umgesetzt. Informationen zum Projekt finden Sie auf der Website:  www.nopicskids.de.

Lesen sie mehr zum Thema auch hier: https://www.intensivstation.jetzt/mein-kind-hat-ein-delir-was-kann-ich-tun/

 

Zusatzinformationen

Interessenskonflikte: Die Autor*innen des Artikels sind am Projekt beteiligt.
Autor*innen: M.Sc. Psych. Manuel Köpper und Dr. med. Juliane Engel (Projektleitung), Universitätsklinikum Tübingen, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Abt. II (Kinderkardiologie, Pulmologie und Intensivmedizin)
Redaktion: PD. Mag. Dr. Magdalena Hoffmann, MSc, MBA (DGKP)
Datum: 13.06.2025
Version: 1.0
Copyright-Vermerk für Fotos: www.nopicskids.de
Weiterführende Literatur: Davidson, J. E., Jones, C., & Bienvenu, O. J. (2012). Family response to critical illness: Postintensive care syndrome– family. Critical Care Medicine, 40(2), 618–624. https://doi.org/10.1097/CCM.0b013e318236ebf9 Engel, J., von Borell, F., Baumgartner, I., Kumpf, M., Hofbeck, M., Michel, J., & Neunhoeffer, F. (2022). Modified ABCDEF-bundles for critically ill pediatric patients—What could they look like? Frontiers in Pediatrics, 10, 886334. https://doi.org/10.3389/fped.2022.886334 Manning, J. C., Pinto, N. P., Rennick, J. E., Colville, G., & Curley, M. A. Q. (2018). Conceptualizing post intensive care syndrome in children—The PICS-p framework. Pediatric Critical Care Medicine, 19(4), 298–300. https://doi.org/10.1097/PCC.0000000000001476 Needham, D. M., Davidson, J., Cohen, H., Hopkins, R. O., Weinert, C., Wunsch, H., et al. (2012). Improving long-term outcomes after discharge from intensive care unit: Report from a stakeholders’ conference. Critical Care Medicine, 40(2), 502–529. https://doi.org/10.1097/CCM.0b013e318232da75
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