Elternangst auf der Kinderintensivstation

Auch wenn Angst häufig als unangenehm erlebt wird, hat sie eine wichtige Funktion: Sie schützt uns. Angst war – und ist – überlebenswichtig, denn sie warnt uns vor Gefahren und sorgt dafür, dass wir aufmerksam und vorsichtig sind. Das gilt natürlich besonders dann, wenn es um unsere Kinder geht. Sie als Eltern möchten Ihr Kind beschützen – das ist nicht nur verständlich, sondern ganz natürlich. Lesen Sie in diesem Beitrag, was Sie in der Situation unterstützen kann.

Die Angst läuft automatisiert
Wichtig zu wissen ist: Angst ist keine bewusste Entscheidung. Wir können uns nicht aussuchen, ob wir ängstlich reagieren oder nicht – diese Reaktion läuft blitzschnell und automatisch über den ältesten Teil unseres Gehirns ab, das sogenannte Stammhirn. Dort wird ein Notfallprogramm aktiviert: Kampf, Flucht oder Erstarren („fight, flight or freeze“).

Vielleicht spüren Sie, dass Sie in dieser Situation hektisch aktiv werden, ohne vorher ruhig nachzudenken – etwa indem Sie viele Informationen sammeln oder eher kritisch und konfrontativ reagieren (entspricht „Kampf“).
Möglicherweise merken Sie auch, dass Sie in Aktionismus verfallen oder dass Sie die Situation lieber vermeiden und ihr aus dem Weg gehen (Flucht).
Manche Menschen erleben zudem eine Art Schockstarre, in der sie sich wie gelähmt fühlen und kaum handlungsfähig sind (Erstarren).
All diese Reaktionen sind möglich und vollkommen normal. Entscheidend ist, zu lernen, die eigene Angst zu beruhigen – besonders dann, wenn sie so stark wird, dass Sie nicht mehr klar denken, keine guten Entscheidungen treffen oder sich selbst und Ihr Kind nicht mehr gut versorgen können. Dies kann passieren, wenn Angst sehr intensiv ist oder über längere Zeit anhält.

Was können Sie tun?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, mit der Angst besser zurechtzukommen.

  • Angst erkennen und zulassen: Angst zu unterdrücken kostet oft mehr Energie, als sie zunächst einmal bewusst wahrzunehmen und anzunehmen. Sie ist ohnehin da.
  • Sich bewusst anderen Dingen zuwenden: Genauso wichtig ist es auch, auch immer wieder zu der Angst auf Abstand zu gehen: sei es durch Ablenkung, Bewegung, gute Begegnungen mit anderen Menschen. Viele Eltern trauen sich nicht, ob sie das in dieser Situation „dürfen“- ja, unbedingt, denn es dient Ihrer seelischen Stärkung und somit auch Ihrem Kind.
  • In Bewegung kommen: Angst ist ein stark körperlich empfundenes Gefühl. Körperliche Bewegung – ein Spaziergang, Sport, Dehnen – kann helfen, Spannungen zu lösen.
  • Entspannung üben: Am Anfang scheint Entspannung in so einer Situation nicht möglich. Aber: Wenn der Körper sich beruhigt, kann es auch innerlich etwas leichter werden.
  • Sorgen teilen: Sprechen Sie mit anderen Menschen über das, was Sie beschäftigt – mit einer vertrauten Person oder schriftlich, z. B. in einem Intensivtagebuch. Ihre Gedanken auszudrücken kann entlasten.

Ihre Rolle als Angehörige*r
Kinder orientieren sich in neuen oder belastenden Situationen stark an ihren engsten Bezugspersonen. Sie beobachten, wie Mama oder Papa handeln, um zu wissen ob eine Situation gefährlich ist. Dieses sogenannte soziale Referenzieren bedeutet, dass Ihr Umgang mit der Situation auch das Erleben Ihres Kindes beeinflusst. Das heißt nicht, dass Sie „keine Angst haben dürfen“ – im Gegenteil: Kinder profitieren davon, wenn sie sehen, dass Gefühle wie Angst dazugehören und, dass Sie als Eltern damit umgehen können. Es gibt Wege, damit umzugehen. Sie dürfen merken, wenn Sie zusätzliche Unterstützung brauchen, und sich an das psychosoziale Team vor Ort wenden. Dieses Team hat viel Erfahrung im Umgang mit belastenden Situationen und Ängsten. Es ist für Sie da und kann Sie begleiten und beraten.

 

Zusatzinformationen

Interessenskonflikte: Keine
Autor*innen: Dr. M. Sc. Psych. Chu-Won Sim, Psychologin
Redaktion: PD. Mag. Dr. Magdalena Hoffmann, MSc, MBA,RN, Dr. Marie-Madlen Jeitziner,RN, Maria Brauchle, RN
Datum: 12.12.2025
Version: 1.0
Copyright-Vermerk für Fotos: DIVI
Weiterführende Literatur:
• Übungen zum Regulieren und Stabilisieren für Kinder und Erwachsene: https://www.aetas-kinderstiftung.de/hilfe-fuer-koerper-kopf-und-herz/
• Im Rahmen der multizentrischen, G-BA geförderten Studie NoPICS-Kids stellt die psychologische Begleitung einen festen Bestandteil der familienorientierten Maßnahmen dar. Mehr Informationen unter www.nopicskids.de
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