Viele Eltern oder Bezugspersonen fühlen sich machtlos und überwältigt, wenn sich Ihr Kind auf der Intensivstation befindet. Ein Intensivtagebuch kann in dieser Situation helfen, etwas mehr Orientierung und Halt zu finden und dabei unterstützen, den Intensivaufenthalt im Nachhinein besser zu verarbeiten.
Was ist ein Intensivtagebuch?
Ein Intensivtagebuch ist ein Notizbuch oder eine gestaltete Vorlage, in die alle Menschen schreiben können, die mit Ihrem Kind in Kontakt stehen: Eltern, Geschwister, Großeltern, Freund*innen – und das Behandlungsteam.
Es kann beispielsweise eingetragen werden:
• Behandlungen und Ereignisse auf der Station oder zu Hause
• Kleine und große Beobachtungen sowie persönliche Eindrücke
• Gefühle, Gedanken oder Wünsche
Es geht nicht nur um medizinische Fakten – alles, was das Erleben prägt, kann festgehalten werden. Diese Form der Begleitung wird mittlerweile auf vielen Intensivstationen genutzt und auch wissenschaftlich untersucht – mit sehr positiven Ergebnissen.
Wozu ist das gut?
Ein Intensivtagebuch kann viele Funktionen erfüllen:
• Es hilft, den Überblick in einer chaotischen Zeit zu bewahren.
• Es kann das Erlebte verständlicher machen, besonders wenn es zunächst unbegreiflich wirkt.
• Es erleichtert Gespräche mit dem Behandlungsteam.
• Es bewahrt Erinnerungen für das Kind, das sich später vielleicht nicht mehr an alles erinnern kann.
• Es stärkt die Verbindung zum Kind, gerade wenn Berührungen oder Worte begrenzt möglich sind.
• Es ermöglicht eine aktive Rolle und wirkt Hilflosigkeit entgegen.
• Es bietet Raum für Gefühle und Gedanken – auch zur späteren Verarbeitung nach der Entlassung.
Wie beginne ich?
Einige Stationen stellen Ihnen ein Tagebuch zur Verfügung oder sprechen Sie das Personal direkt darauf an. In anderen Fällen können Sie selbst ein Notizbuch mitbringen. Legen Sie das Tagebuch gut sichtbar ans Bett. So können auch Ärzt*innen, Pflegekräfte oder Therapeut*innen kurze Einträge machen. Angehörige und Freund*innen können ebenfalls etwas beitragen – z. B. Gedanken, Erlebnisse oder Botschaften an das Kind.
Wenn Sie Einträge verfassen möchten, die privat bleiben sollen, empfiehlt sich ein zweites Tagebuch nur für Sie.
Und nach der Entlassung?
Nach dem Klinikaufenthalt kann das Tagebuch helfen, die Erlebnisse zu verarbeiten. Es enthält Erinnerungen an eine schwierige, aber wichtige Zeit. Überlegen Sie behutsam mit Ihrem Kind, wann der richtige Moment ist, das Tagebuch anzusehen – z. B. wenn es fragt, was passiert ist. Begleiten Sie es bitte beim Lesen, so können Sie einfühlsam auf Reaktionen und Fragen eingehen. Manche Stationen bieten auch Unterstützung durch psychosoziale Fachkräfte beim Lesen an.
Fotos sollten am besten in einem Kuvert beigelegt werden, damit Sie gemeinsam entscheiden können, ob und wann sie angeschaut werden. Es hilft, wenn auf den Bildern neben dem Kind auch vertraute Personen oder Mitarbeitende des Behandlungsteams zu sehen sind. So erlebt das Kind, dass immer jemand bei ihm war.
Zusatzinformationen
Autor*innen: Dr. M. Sc. Psych. Chu-Won Sim, Psychologin
Redaktion: PD. Mag. Dr. Magdalena Hoffmann, MSc, MBA,RN, Dr. Marie-Madlen Jeitziner,RN, Maria Brauchle, RN
Datum: 22.08.2025
Version: 1.0
Copyright-Vermerk für Fotos: Maria Brauchle
Weiterführende Literatur:
• Absolut empfehlenswerte Seite für weitere Informationen, Studien, Vorlagen und Beispieleinträge: https://www.intensivtagebuch.de/
• Im Rahmen der multizentrischen, G-BA geförderten Studie NoPICS-Kids stellt das Intensivtagebuch einen festen Bestandteil der familienorientierten Maßnahmen dar. Mehr Informationen unter www.nopicskids.de
• Lynch, F., Latour, J. M., & Endacott, R. (2025). Impact of patient diaries on children, families, and healthcare professionals in paediatric intensive care settings: A scoping review. Intensive and Critical Care Nursing, 89, 104087
• https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S096433972500148X
• Low, S. Z. Q., Kirk, A., Mok, Y. H., & Lee, J. H. (2023). The use and impact of diaries in PICUs and neonatal ICUs: A scoping review. Pediatric Critical Care Medicine, 24(2), e84-e90
• https://journals.lww.com/pccmjournal/abstract/2023/02000/the_use_and_impact_of_diaries_in_picus_and.17.aspx