NoPICS-Kids – Kinderintensivmedizin neu gedacht

Die Überlebenschancen im Zuge einer Behandlung auf einer Kinderintensivstation stiegen in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich. Entgegen dieser Entwicklung ist eine Zunahme an Langzeitfolgen der Intensivtherapie (Post Intensive Care Syndrom (PICS)) von Kindern (PICS-p) und deren Familien (PICS-f) beobachtbar. Eine Studie in mehreren Universitätskliniken unter Tübinger Federführung untersucht frühe Maßnahmen, die dem entgegenwirken sollen.

Worum gehts? 

Überlebenschancen von Kindern und Jugendlichen auf einer Intensivstation werden durch medizinische Fortschritte kontinuierlich besser. Umfangreichere und eingreifende Behandlungsmöglichkeiten bringen jedoch eine Kehrseite mit sich: Körperliche, seelische und soziale Langzeitfolgen der Behandlung betreffen gleichermaßen die Kinder, als auch deren Familienangehörige. Dies ist bereits aus der Erwachsenenmedizin bekannt und wird als Post-Intensiv-Care-Syndrom beschrieben (PICS). Behandlungsmaßnahmen auf der Kinderintensivstation stellen mitunter die Ursache dieser Langzeitfolgen dar. Hierzu gehören vor allem ein langes Koma, mechanische Beatmung und wenig Bewegung. Hinzu kommen Verwirrtheitszustände (Delir) und zu wenig Einbezug der Familie. Mehr zum Thema PICS bei Kindern (PICS-p) finden Sie hier.

Das Projekt

Im Projekt NoPICS-Kids der Tübinger Kinderintensivstation wird genau an diesen Ursachen angesetzt um bereits während der Zeit auf der Intensivstation an die Zeit zu Hause zu denken. Die praktische Umsetzung erfolgt mittels der sogenannten ABCDEF-Bundles. Dies sind Maßnahmen verschiedener Fachbereiche, die sich gegenseitig ergänzen und ineinandergreifen. Beispielsweise nimmt ein Kind durch gute Schmerzkontrolle bei möglichst wenig Beruhigungsmitteln (Bundles A und C) seine Umgebung besser wahr, was Albträumen und Verwirrtheitszuständen entgegenwirkt (Bundle D). Dies ermöglicht zudem eine frühere Beteiligung von Frühmobilisierung und Physiotherapie (Bundle E), die wiederum die eigenständige Atemarbeit fördert (Bundle B). Die Aufhebung eingeschränkter Besuchszeiten erlaubt eine dauerhafte Anwesenheit der wichtigsten Besuchspersonen und einen besseren Umgang mit der emotionalen Belastung der Kinder (Bundle F), was sich wiederum positiv auf alle anderen Maßnahmen auswirkt (Informationen zum Umgang mit Geschwistern auf der Kinderintensivstation finden Sie hier). Zusätzliches Fachpersonal aus dem Bereich Psychologie ist dauerhaft und teamintegriert in die Versorgung eingebunden. Eine Schlüsselrolle kommt darüber hinaus den sogenannten „Champions“ zu. Sie gewährleisten die Umsetzung aller Maßnahmen, erstellen fachübergreifende Therapiepläne und unterstützen zielgerichtet Eltern bzw. entlasten Pflegekräfte.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) fördert die Umsetzung von NoPICS-Kids neben der Universitätsklinik Tübingen auch in den Universitätskliniken Freiburg, Mannheim und Heidelberg. Seit Mai 2024 werden Kinder und Familien in allen Zentren in die Studie eingeschlossen. Die Umsetzung der ABCDEF-Bundles erfolgt in Tübingen seit Mai 2024. Die schrittweise Einführung der Maßnahmen erlaubt einen Vergleich zwischen Langzeitfolgen mit bzw. ohne Umsetzung der ABCDEF-Bundles. Neben den vier Universitätskliniken wirken die AOK Baden-Württemberg, die Orthopädische Klinik der Hochschule Hannover sowie die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) als Konsortialpartner zur Bereitstellung von Daten, der wissenschaftlichen Auswertung sowie im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit mit. Eine abschließende Auswertung der Studienergebnisse ist Ende 2026 geplant.

Weiterführende Informationen und Ansprechpartner finden Sie unter: www.nopicskids.de

 

Zusatzinformationen

Interessenskonflikte:Der Autor des Artikels ist am Projekt beteiligt.
Autor*innen:M.Sc. Psych. Manuel Köpper, Universitätsklinikum Tübingen, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Abt. II (Kinderkardiologie, Pulmologie und Intensivmedizin)
Redaktion: PD. Mag. Dr. Magdalena Hoffmann, MSc, MBA (DGKP)
Datum: 15.06.2025
Version: 1.0
Copyright-Vermerk für Fotos: www.nopicskids.de
Weiterführende Literatur: Davidson, J. E., Jones, C., & Bienvenu, O. J. (2012). Family response to critical illness: Postintensive care syndrome– family. Critical Care Medicine, 40(2), 618–624. https://doi.org/10.1097/CCM.0b013e318236ebf9 Engel, J., von Borell, F., Baumgartner, I., Kumpf, M., Hofbeck, M., Michel, J., & Neunhoeffer, F. (2022). Modified ABCDEF-bundles for critically ill pediatric patients—What could they look like? Frontiers in Pediatrics, 10, 886334. https://doi.org/10.3389/fped.2022.886334 Manning, J. C., Pinto, N. P., Rennick, J. E., Colville, G., & Curley, M. A. Q. (2018). Conceptualizing post intensive care syndrome in children—The PICS-p framework. Pediatric Critical Care Medicine, 19(4), 298–300. https://doi.org/10.1097/PCC.0000000000001476 Needham, D. M., Davidson, J., Cohen, H., Hopkins, R. O., Weinert, C., Wunsch, H., et al. (2012). Improving long-term outcomes after discharge from intensive care unit: Report from a stakeholders’ conference. Critical Care Medicine, 40(2), 502–529. https://doi.org/10.1097/CCM.0b013e318232da75
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