Schluckstörungen bei Intensivpatient*innen

Einleitung

Eine Schluckstörung, auch Dysphagie benannt, ist eine häufige und ernstzunehmende Folge einer intensivmedizinischen Behandlung. Im Folgenden wird erklärt, wie eine solche Schluckstörung erkannt und behandelt wird. Dabei erhalten Sie Informationen darüber, wie Sie Ihre Angehörigen unterstützen können, wenn eine Schluckstörung aufgetreten ist.

Warum entwickeln Intensivpatient*innen häufig eine Schluckstörung?

Patient*innen, die eine schwere Erkrankung mit intensivmedizinischer Behandlung durchmachen, haben darauf folgend oft Probleme beim Schlucken (Schefold, 2017). Eine solche Schluckstörung kann unter anderem durch:

  • eine lange Intubation (Beatmung),
  • eine Blutvergiftung
  • oder einen schweren Muskelabbau verursacht werden (Perren, 2019).

Aufgrund dieser Faktoren kann der Schluckakt durch eine Desensibilisierung oder eine Kraftminderung des Kehlkopfes beeinträchtigt werden. Das kann dazu führen, dass weder Essen und Getränke, noch der Speichel geschluckt werden können, ohne, dass diese teilweise in die Luftröhre gelangen. Wenn Essen, Getränke oder Speichel in die Luftröhre gelangen, wird dies „Aspiration” genannt.

Was sind die Folgen einer Schluckstörung?

Eine Schluckstörung kann dazu führen, dass es durch chronische (andauernde) Aspirationen zu einer Lungenentzündung kommt. Diese Lungenentzündung ist eine schwerwiegende Komplikation. Dadurch kann sich der Krankenhausaufenthalt verlängern (Zuercher, 2019). Patient*innen, die nicht oral (durch den Mund) ernährt werden können, unterliegen auch dem Risiko einer Unterernährung. Aus diesem Grund werden die Patient*innen häufig mittels einer Nahrungssonde ernährt, bis sie wieder sicher schlucken können.

Wie wird eine Schluckstörung festgestellt?

Oft fällt eine Schluckstörung nur auf, wenn das Pflegepersonal merkt, dass sich die Patient*innen verschlucken oder, wenn Essenreste abgesaugt werden. Viele Patient*innen verschlucken sich jedoch nicht offensichtlich. Dieses Problem wird „stille Aspiration” genannt (Macht, 2013). Deshalb ist es zu empfehlen, dass eine Untersuchung des Schluckakts unternommen wird, bevor die Patient*innen mit einem Kostaufbau beginnen. Diese Untersuchung wird in der Regel durch einen Logopäden*eine Logopädin - manchmal auch von  Kolleg*innen der Phoniatrie oder Neurologie - durchgeführt. Oft wird danach auch eine instrumentale Schluckdiagnostik durchgeführt. Hier wird ein schmales Endoskop über die Nase in den Hals eingeführt. Damit kann der Schluckakt optisch beurteilt werden (Langmore, 2017). Dieser Vorgang wird auch „FEES” (fiberendoskopische Evaluation des Schluckens) genannt.

Bild: Schluckdiagnostik mit Endoskop (Quelle: Uniklinik RWTH Aachen)

Wie wird eine Schluckstörung behandelt?

Bei Patient*innen, die nicht sicher schlucken können, findet meistens eine Nahrungskarenz statt. Damit werden die  Patient*innen vor einer Aspiration geschützt. Das bedeutet, dass die Patient*innen mittels einer Nahrungssonde ernährt werden müssen. Alternativ erfolgt die Ernährung auch über eine Infusionslösung direkt in den Blutkreislauf. Um den Schluckakt zu trainieren, wird die Trachealkanüle (Atemschlauch), wenn vorhanden, regelmäßig entblockt. Sie kann dann mit einem Sprechventil verschlossen werden, um die Sensibilität im Kehlkopf, und dadurch den Schluckakt, zu trainieren (Leder, 1999). Dann kann ein Schlucktraining zum Beispiel mittels Wasser oder Götterspeise erfolgen. Oft werden auch logopädische Übungen durchgeführt, um die Kraft und Sensibilität für den Schluckaktwiederherzustellen.

Wird mein Angehöriger wieder normal essen und trinken können?

Es ist schwer vorherzusagen, wie lange es dauern wird, bis der normale Schluckakt wiederhergestellt ist. Oft muss wochen- oder sogar monatelang geübt werden, bevor der*der Patient*in wieder normal essen und trinken darf. In Fällen, wo eine rasche Besserung des Schluckakts nicht zu erwarten ist, wird oft eine „PEG”-Anlage (perkutane endoskopische Gastrostomie) durch die Bauchdecke gelegt. Dann erfolgt die Ernährung durch einen dünnen Schlauch, der direkt in den Magen geht. Diese Methode der Ernährung vermeidet viele Probleme, zum Beispiel Schmerzen oder Druckstellen, die mit einer konventionellen Nasensonde verbunden sind. Nach Wiederherstellung des Schluckakts kann die PEG-Anlage wieder entfernt werden.

Wie kann ich meinen Angehörigen helfen?

Sie können ihrem*ihrer Angehörigen helfen zu verstehen, dass er*sie in dieser Phase nur eingeschränkt oder sogar überhaupt nicht essen oder trinken darf. Nach Rücksprache mit dem Personal dürfen Sie gegebenenfalls den Mund anfeuchten. Kolleg*innen der Logopädie, Pflege oder Medizin zeigen Ihnen gerne Übungen, die Sie vielleicht mit Ihrem Angehörigen durchführen können. Bitte bringen Sie nur nach Rücksprache mit dem Personal Essen oder Getränke von zu Hause mit.

Zusatzinformationen

Interessenskonflikte: Keine
Autor*innen: Robert Gray, Logopäde, Universitätsklinikum Aachen
Redaktion: Mag. Dr. Magdalena Hoffmann, MSc, MBA und Christina Starchl (Stud. Humanmedizin)
Datum: 21.11.2021
Version: 1.0
Copyright-Vermerk für Fotos: Uniklinik RWTH Aachen
Weiterführende Literatur:
1. Schefold, J. et al., Critical Care Medicine, December 2017 • Volume 45 • Number 1. 2. Perren, A. et al., Dysphagia (2019) 34:475–486. 3. Macht, M. et al., Critical Care Medicine, October 2013 • Volume 41 • Number 10. 4. Langmore, S. Dysphagia 2017 Feb;32(1):27-38. 5. Zuercher, P. et al., Critical Care (2019) 23:103. 6. Leder, S. et al. Dysphagia 1999;14(2):73–7.
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